Pressemitteilung: Bessere Aussichten für Thüringens Frühgeborene!

Mitarbeiterinnen der Frauenmilchbank am Universitätsklinikum Jena vor einem Gefrierschrank mit gespendeter Frauenmilch. Zukünftig sollen mehr Kliniken dazukommen. Bild: UKJ

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HAMBURG, ERFURT — 15. 07. 2022 — Die Frauenmilchbank-Initiative e. V. (FMBI) begrüßt ausdrücklich die heutige Verabschiedung des fraktionsübergreifenden Antrags “Überlebenschancen von Frühgeborenen und kranken Neugeborenen erhöhen – Aufbau und Erhalt von Frauenmilchbanken sichern und Spendenbereitschaft erhöhen“ im Thüringer Landtag.

Ein besonderer Tag: Zukünftig sollen alle Frühgeborenen und kranken Neugeborenen in Thüringen mit Muttermilch oder sicherer Frauenmilch aus einer Frauenmilchbank ernährt werden können. So sieht es der Beschluss vor, den der Thüringer Landtag heute gefasst hat. Thüringen ist in der vergleichsweise glücklichen Lage, bereits Frauenmilchbanken in Eisenach, Erfurt und Jena vorweisen zu können. In Suhl ist eine weitere im Aufbau. Aber auch anderswo im Freistaat werden Frühchen geboren. Strukturen sollen gestärkt und geschaffen werden, damit auch dort Frauenmilchbanken entstehen oder Kliniken mitversorgt werden.

“Dieser Beschluss wird sich positiv auf die Gesundheit von kleinen Frühgeborenen in Thüringen auswirken. Sichere Spenderinnenmilch aus einer Frauenmilchbank kann bei zu wenig Muttermilch einen großen Unterschied machen: Mit menschlicher Milch ernährte Frühchen sind besser vor Darmproblemen geschützt und wachsen besser als die, die künstliche Nahrung erhalten. Das kann in vielen Fällen über Leben und Tod bzw. lebenslange Beeinträchtigungen entscheiden.”, erklärt Prof. Proquitté von der Uniklinik Jena.

Gespräche der FMBI mit Thüringer Politikern haben das Thema auf den Weg gebracht: „Robert-Martin Montag (FDP) hat mit unseren Fachinformationen einen Antrag formuliert und im Januar 2021 eingebracht. Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Opposition und Regierung haben das Vorhaben so vorangebracht, dass heute der Beschluss folgte,“ so Dr. Ulrike Sturm- Hentschel von der bundesweit aktiven Frauenmilchbank-Initiative.

Der Beschluss geht aber weit über eine bloße Investitionsförderung hinaus: Derzeit tragen die Krankenkassen die Finanzierung der hohen Betriebskosten von Frauenmilchbanken nicht, obgleich dadurch gesundheitliche Schäden der Kinder und dadurch erheblich höhere Folgekosten vermieden werden. Die Landesregierung wird aufgefordert zu prüfen, in welcher Form bereits vorhandene Frauenmilchbanken in Thüringen im laufenden Betrieb finanziell unterstützt werden können und durch Gespräche mit den Krankenkassen und auf Bundesebene für eine auskömmliche Betriebskostenfinanzierung einzutreten. Außerdem ist im Beschluss ein klares Bekenntnis zur Stillförderung enthalten. Zudem soll durch gezielte Informationskampagnen die Spendenbereitschaft bei stillenden Müttern, die mehr Muttermilch haben, als ihr eigenes Kind benötigt, erhöht werden. Denn oft fehlt es an gespendeter Milch, wie letztlich in Jena.

„Das Zusammenspiel dieser Vielzahl an Maßnahmen sehen wir erstmalig in einem Landtagsbeschluss innerhalb Deutschlands. Auf dem Weg zur Versorgung aller bedürftigen Früh- und Neugeborenen ist Thüringen damit im Bundesvergleich ganz vorn“, so Dr. Ulrike Sturm-Hentschel.

Nun ist es wichtig, dass der Beschluss zeitnah umgesetzt und angemessene Mittel in den Haushalt eingeplant werden. Für die Unterstützung auf Bundesebene bedarf es keiner Wartezeit für einen Haushaltsplan. Die politische Arbeit dazu kann ab heute beginnen.

Mediziner beteiligter Kliniken und Gesundheitspolitiker drückten ihre Unterstützung für das Vorhaben aus:

Prof. Dr. med. Hans Proquitté (Universitätsklinikum Jena): „Ein ganz wichtiger Punkt ist die Refinanzierung: Für Frauenmilch und die Prozessierung muss hoher Aufwand betrieben werden. Es bleibt aber der hohe schützende Effekt von Frauenmilch und die Wahrnehmung der Leistung der Mutter, etwas für ihr Kind (oder auch andere Kinder) tun zu können.“

Dr. med. Sebastian Horn (SRH Zentralklinikum Suhl GmbH): „Ich freue mich, dass in diesem Zuge die Stillförderung (z.B. Ausbildung […]) eine besondere Beachtung erfährt.

Robert-Martin Montag (FDP): „Ich bin wirklich sehr froh, dass es geklappt hat. Die institutionalisierte Förderung der Frauenmilchbanken ist ein echter Meilenstein. Es zeigt auch, dass man mit Geduld, Ausdauer und den richtigen Partnern etwas bewegen kann. Daher möchte ich mich als gesundheitspolitischer Sprecher der FDP ausdrücklich bei der FMBI bedanken. Ohne den guten Austausch wäre der Erfolg in dieser Form definitiv nicht möglich gewesen.“

Babett Pfefferlein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): "Die Initiative der FDP wurde in einer Anhörung von den meisten Expert*innen sehr positiv bewertet und liegt nun in einer unter R2G und mit dem Ministerium abgestimmten neuen Fassung vor. Diese wurde von bündnisgrüner Seite um die uns wichtige Unterstützung bestehender Strukturen und Angebote für Stillberatungen und Stillunterstützung und der Unterstützung von Laktationsberater*innen ergänzt."

Dr. med. Cornelia Klisch (SPD): "Gerade für ein Frühchen ist die beste Ernährung Muttermilch. Leider gibt es davon immer weniger. Um das effektiv für Thüringen zu verbessern, haben wir als Politiker versucht, neue Türen zu öffnen. Mit unserem zweiteiligen Ansatz - Aufbau und Erhalt von Frauenmilchbanken sowie Maßnahmen und Kampagnen zur Erhöhung der Spendenbereitschaft - können wir unser Ziel erreichen."

Karola Stange (DIE LINKE): „Als Erfurterin bin ich sehr erfreut darüber, dass wir an Dr. Marie-Elise Kaysers Initiative anknüpfen, die 1925 in Erfurt eine der ersten Frauenmilchsammelstellen ins Leben gerufen und damit wesentlich dazu beigetragen hat, das Thema Frauenmilch und Säuglingsernährung in das Bewusstsein der Gesellschaft zu bringen. Mit dem gemeinsamen Alternativantrag von R2G und FDP wollen wir deutlich machen: Wir brauchen eine flächendeckende Versorgung durch Frauenmilchbanken in Thüringen und wollen die Spendenbereitschaft für Frauenmilch erhöhen!“

Hintergrundinformationen

Menschliche Milch ist die beste Nahrung für Neugeborene und kann insbesondere für Extrem-Frühgeborene überlebenswichtig sein. Wenn Mütter trotz optimaler Stillförderung nicht genug Milch haben, ist Milch von gesunden Spenderinnen aus einer Frauenmilchbank die beste Alternative.

Zwar hat die Zahl der Milchbanken in den letzten Jahren in Deutschland wieder deutlich zugenommen, dennoch haben viele Frühgeborene nach wie vor keinen Zugang zu Spendermilch. Deutschlandweit gibt es Frauenmilchbanken an rund 35 von insgesamt rund 200 Kliniken, an denen kleine Frühgeborene behandelt werden. In Thüringen gibt es aktuell drei Frauenmilchbanken – in Eisenach, Erfurt und Jena; in Suhl ist eine weitere im Aufbau. 

Leitende Neu- und Frühgeborenenmediziner befürworten die flächendeckende Einrichtung von Frauenmilchbanken in Deutschland. Die größte Barriere stellen jedoch die Kosten für Aufbau und Betrieb dar. Viele Frauenmilchbanken konnten nur dank Privatspenden, Stiftungsgeldern oder Elternfördervereinen eingerichtet werden. Niedersachsen war das erste Bundesland, das 2016 fraktionsübergreifend entschied, den Aufbau von Frauenmilchbanken zu fördern. 2020 beschloss der Landtag Schleswig-Holstein den Aufbau und die Inbetriebnahme von Frauenmilchbanken. 

Auch bei den laufenden Kosten sind Kliniken mit Frauenmilchbanken gegenüber Kliniken ohne Milchbanken finanziell benachteiligt, obwohl sie einen wichtigen Beitrag zur Krankheitsprävention und zum besten Gedeihen von Frühgeborenen leisten. Die Versorgung von Frühgeborenen mit gespendeter Muttermilch ist nicht gesondert im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten und im DRG-Entgeltsystem nicht abbildbar. Dadurch ergeben sich hohe Mehrkosten für die Kliniken, die durch den Betrieb von Frauenmilchbanken in die Prävention investieren. 

(Weitere Hintergrundinformationen finden Sie in der Stellungnahme der FMBI und DGPM zum Ursprungsantrag.)

Die Frauenmilchbank-Initiative ist ein bundesweit tätiger gemeinnütziger Verein, in dem sich Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Hebammen, Still- und Laktationsberater*innen und Eltern für eine bessere Verfügbarkeit von menschlicher Spendermilch für Früh- und kranke Neugeborene einsetzen. Der Verein wurde 2018 gegründet und hat mittlerweile fast 90 Mitglieder in ganz Deutschland, darunter zahlreiche Frauenmilchbanken. 

Für weitere Informationen stehen Ihnen zur Verfügung:

Dr. Ulrike Sturm-Hentschel (FMBI): u.sturm-hentschel@fmbi.de / 089-12767563

Dr. med. Rudolf Ascherl (FMBI): r.ascherl@fmbi.de / 0160 94793393

Prof. Dr. med. Hans Proquitté (Vertreter der Neonatologen Thüringens): hans.proquitte@med.uni-jena.de / 03641-9329601 oder 03641-9329511